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Weltklasse-Athleten sind auch deshalb Weltklasse, weil sie nie aufhören, noch besser zu werden. Was treibt sie an? Wie gehen sie mit Herausforderungen um? Was können wir von ihnen lernen? Mit den monatlichen Inspiration-Porträts geht Weltklasse Zürich dem Mindset der besten Leichtathletinnen und Leichtathleten auf den Grund. Den Anfang macht Mujinga Kambundji. Die Schweizer Sportlerin des &hellip; <a href="https://zurich.diamondleague.com/von-der-bittersten-stunde-zum-groessten-coup-innert-drei-tagen/">Continued</a>
Zurich

Von der bittersten Stunde zum grössten Coup innert drei Tagen

Weltklasse-Athleten sind auch deshalb Weltklasse, weil sie nie aufhören, noch besser zu werden. Was treibt sie an? Wie gehen sie mit Herausforderungen um? Was können wir von ihnen lernen? Mit den monatlichen Inspiration-Porträts geht Weltklasse Zürich dem Mindset der besten Leichtathletinnen und Leichtathleten auf den Grund. Den Anfang macht Mujinga Kambundji. Die Schweizer Sportlerin des Jahres 2019 hat an den Weltmeisterschaften in Doha eindrücklich gezeigt, wie man Niederlagen überwindet und das Momentum auf seine Seite bringen kann.

2. Oktober 2019. Ein historischer Tag für die Schweizer Leichtathletik, ja für den ganzen Schweizer Sport. Mujinga Kambundji steht als erste helvetische Sprinterin in einem WM-Final und gewinnt sensationell die Bronzemedaille über 200 m. Was für eine Leistung! Was für eine Sternstunde! Und vor allem: Was für eine mentale Reaktion der schnellsten Frau der Schweiz!

Déjà-vu

Rückblick: 72 Stunden zuvor sah die Gefühlslage der 27-jährigen Bernerin aus Köniz noch ganz anders aus. Out im Halbfinal über 100 m. Fünf Tausendstelsekunden fehlten ihr zum erstmaligen Finaleinzug auf der Weltbühne im Königssprint. Schon wieder. 2017 hatte sie den 100-m- und 200-m-Endlauf als Zehnte jeweils um zwei Ränge verpasst. Nun entschied ein Wimpernschlag über Sein oder Nichtsein. Erinnerungen wurden wach. Erinnerungen an die Indoor-Europameisterschaften in Glasgow 2019, wo sie bloss eine Hundertstelsekunde vom Podest trennte. Erinnerungen an die EM 2018 im Berliner Olympiastadion. Angetreten als Hallen-WM- und EM-Bronzemedaillengewinnerin, peilte Mujinga Kambundji auf der blauen Bahn mindestens eine Medaille in den drei Disziplinen 100 m, 200 m und 4×100 m an. Abgereist ist sie mit drei vierten Plätzen, den undankbarsten aller Klassierungen. Trotzdem hat sie den Kopf nicht hängen lassen. Trotzdem ist sie weiter ihren Weg gegangen. Jeder Dämpfer motivierte sie zusätzlich, ja brachte sie der langersehnten globalen Finalpremiere einen Schritt näher.

Was passiert ist, ist passiert

Zurück in Doha, zurück im Athletenhotel, zeigt sich genau hier, wie die Schweizer Rekordhalterin tickt. «Ich brauchte einen Moment, um die Enttäuschung über das knappe Aus zu verarbeiten», gesteht Mujinga Kambundji rückblickend, «umgekehrt durfte ich meine Ziele nicht aus den Augen verlieren – die WM war ja noch nicht zu Ende.» Statt nach dem 100-m-Drama mit sich, den Gegnerinnen und den Tausendsteln zu hadern, ihre Vorbereitung in Frage zu stellen oder sogar schon die Koffer zu packen, schaffte sie es noch am selben Abend, sich wieder zu sammeln und den Fokus neu zu richten. Nicht auf das Verpasste, sondern auf die unmittelbare Zukunft. Darauf, was sie beeinflussen kann. Darauf, was sie besser machen kann.

Freude statt Frust

«Die Routine, aber auch die Erfahrung mit vierten und fünften Rängen haben mir sicherlich geholfen, richtig mit der Situation umzugehen und trotz allem das Positive zu sehen», glaubt Mujinga Kambundji und ergänzt: «Ich wusste um meine gute Form und sagte mir, irgendwann würde es auch mit dem grossen Final klappen.» Schon am Folgetag war ihr Frust der Freude gewichen, auf die Bahn zurückkehren zu dürfen und nochmals zu zeigen, wofür sie die letzten Wochen, Monate und Jahre trainiert hatte – in der Hoffnung, dass der Wind auch rasch wieder drehen kann. Wie bei ihrem Bronzegewinn an den Hallen-Welttitelkämpfen 2018 über 60 m, als bloss 5 Hundertstel zwischen Rang 2 und 5 lagen. Das ist der Sprint. Das ist der Sport. Das ist das Leben. Mal gewinnt man, mal verliert man. Und es geht immer weiter. In Kambundjis Fall über 200 m. Auf der längeren Sprintstrecke qualifizierte sich die Schweizer Sprintqueen in Doha erst für den Halbfinal und dann souverän für ihren ersten Freiluft-WM-Final. Der Rest ist Geschichte. 

Mujinga Kambundjis Tipp im Umgang mit Rückschlägen:

«Man darf und soll enttäuscht sein, wenn man ein grosses Ziel verpasst. Schliesslich hat man im Vorfeld viel Arbeit und Leidenschaft in sein Projekt gesteckt. Es bringt jedoch nichts, Dingen nachzutrauern, die man nicht mehr ändern kann, nicht mehr rückgängig machen kann. Im Gegenteil: Wenn man zu lange über das Was-wäre-wenn nachdenkt, ist man nicht frei für die kommenden Aufgaben. Drum heisst es nach einer Niederlage: Abhaken, vorwärtsschauen und die nächste Chance nutzen.»